Biologie der Biene
Nach der naturwissenschaftlichen Einteilung der Insekten, zu denen ja auch die Einzelglieder des Bien gehören, zählt der Bien bzw. die Bienen zu den Hautflüglern (Hymenopteren). Bei dieser Auffassung ist ein eigentlich sehr untergeordnetes Organ die Flügel, zum Unter- und Artmerkmal ausgewählt worde, während die sehr wichtige biologische und physiologische Merkmale, welche das Bienenvolk und auch die Einzelbiene von andern ähnlichen Lebewesen ganz bestimmt unterscheiden, völlig unbeachtet geblieben sind. Das auffälligste Merkmal dieser Tierart ist doch seine siozalstaatliche Organisation der beteiligten Glieder dieses Verbundes. Am nächsten stehen sie in dieser Hinsicht den Ameisen und Termiten, abgesehen von den nahen verwandten Wespen, Hummeln und Hornissen, die jedoch nicht Staaten bildend sind.
Ferdinand Gerstung hat daher bereits Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich gemacht, dass wir das Bienenvolk weniger als den Zusamenschluss von Einzel-Lebewesen, sondern als ein homognes Ganzes – nämlich als Bien betrachten müssen. Er schreibt in seinem Buch „Der Bien und seine Zucht“ (1905):
„Der Bien lässt sich, um sein charakteristisches Wesen begreiflich zu machen, eher mit einer Pflanze, als mit Tieren höherer Organisation vergleichen. Wie bei einer Pflanze sich aus einem Keime die verschiedenartigen Zellgruppen Wurzel, Stängel oder Stamm, Blätter, Knospen, Blüte, Frucht entwickeln und jede besondere Zellgruppe für die Erhaltung des ganzen Organismus ihr bestimmtes Teil beitragen muss, aber auch vom ganzen Organismus ihre Existenzmöglichkeit darerhält, so entstehen auch aus an und für sich gleichartigen Eiern im Bien verschiedene Glieder- oder Zellgruppen sogenannte Arbeiterinnen (Ammen-, Brut-, Bau-, Wehr- und Trachtbienen) Drohnen und Königinnen, von denen jedes sein gerade ihm zukommendes Teil zur Erhaltung und Fortpflanzung des ganzen Biens beitragen muss, welche aber auch alle erst von dem ganzen Bien ihre Existenzmöglichkeit dargeboten erhalten. Deshalb bestimmen wir das Wesen des Biens also:
Der Bien ist ein Organismus, welcher besteht durch das harmonisch- zweckmäßige Zusammenwirken aller seiner Teile oder Glieder und bei welchem jeder Teil das Ganze als Ursprung und Träger einer Existenz voraussetzt.
Von einem pflanzlichen oder einem tierischen Organismus höherer Art unterscheidet sich der Bien wesentlich dadurch, dass bei ihm die einzelnen Zellgruppen oder Organe nicht miteinander fest verwachsen sind, sondern dass wenigstens die entwickelten Organe· frei beweglich sind. Das darf uns aber nicht hindern, den Bien als einheitlichen Organismus aufzufassen und die Einzelbienen nur als seine für sich organisierten Glieder oder Organe zu betrachten, da ja die Beziehungen des Ganzen zu den Gliedern und der Glieder zum Ganzen genau dieselben sind, wie die Beziehungen der Einzelorgane zum Organismus und umgekehrt bei einer Pflanze oder einem höher organisierten Tiere oder auch bei unserm menschlichen Körper.“
Leider hat sich diese Defintion in nur sehr wenigen Lehrbüchern der Imkerei seinen Niederschlag gefunden. Der Begriff „Bien“ wird zwar oftmals zitiert, die Umsetzung in die praktische Arbeit mit den Bienen ist jedoch in Vergessenheit geraten. Daher möchte ich diesen Aspekt wieder aufgreifen und auf den folgenden Seiten beleuchten.
Den Bien mit all seinen Gliedern als Organismus zu betrachten ist die Grundlage der artgemäßen Bienenhaltung in der Hochwaben-Magazinbeute, bei der sich die Belange der Biene und des Imkers am besten vereinigen lassen.