„Das Sterben der Insekten findet leise statt“
Vorsitzender für größere Kraftanstrengung beim Artenschutz
Das Wetter hat den Norder Imkern in diesem Jahr einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. „Die Honigernte ist unter unseren Erwartungen zurückgeblieben“, zeigt sich der Vorsitzende des Norder Imkervereins, Thorsten de Buhr, enttäuscht von der „Ausbeute“ des zurückliegenden Honigjahres. Die Temperaturen in der Region sind nach seinen Beobachtungen einfach zu niedrig gewesen. Das gilt vor allem für den Zeitraum der Rapsblüte. Denn – nach den Beobachtungen von de Buhr blüht der Raps seit 2018 immer früher, in diesem Jahr war es Anfang April. Den Grund für dieses Phänomen kennt de Buhr nicht, wohl aber weiß er, dass dieser Effekt ein großes Problem für die Bienen darstellt: „Zu diesem frühen Zeitraum haben die Völker noch nicht die notwendige Stärke, da sie sich noch im Aufbau befinden. Die Bienenkönigin richtet ihr Brutvolumen danach aus, was an Nektar reinkommt. Ende März oder Anfang April ist das nicht viel, zumal der März durchaus noch Nachtfröste bringen kann. Und wenn dann der Raps zu früh blüht, ist der Honigertrag entsprechend gering“, hofft der Vereinsvorsitzende, dass das Kreuzblütengewächs im nächsten Jahr wieder zur gewohnten Zeit in Blüte steht. „Früher sind wir Ende April in den Raps gegangen“, erinnert de Buhr daran, wie wichtig die Bestäubungsleistung der Bienen für den Rapsertrag ist. „Bei fünf Völkern auf einen Hektar Raps kann ein Mehrertrag von 30 Prozent erreicht werden.“
Doch nicht nur Rapshonig macht dem Imkervereinsvorsitzenden Sorge – auch die Frühtracht hätte besser ausfallen können. Zwar spielt auch hier die Witterung etwas mit rein, das Hauptproblem liegt in den Augen von de Buhr aber auf der „Angebotsseite“. „Viele Lebensräume verschwinden und das nicht nur im Außenbereich, sondern zunehmend auch in den Siedlungsgebieten der Städte oder der Dörfer. „Dass etwas wild bleibt, ist immer weniger zu sehen. Überall wird gemäht, gestutzt oder verschwindet gleich ganz“, blickt der Imker voller Sorge nicht nur auf die vielen Kies- und Steinbeete. „Wo sollen die Bienen und hier vor allem die Wildbienen und andere Insekten denn noch Nahrung finden“, weist de Buhr auf die Auswirkungen dieser Entwicklung am Ende auch auf die Vogelwelt hin. „Es ist immer weniger da“, appelliert de Buhr an alle Gartenbesitzer, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Flächen möglichst insektenfreundlich zu gestalten. Entsprechende Tipps gebe es im zuhauf im Internet oder bei den Imkervereinen. Auch der Imkerverein Norden will seinen Worten zufolge rechtzeitig auf seinen Internetseiten Tipps für einen bienenfreundlichen Garten bereitstellen.
Für de Buhr ist der Artenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe. „Landwirtschaft, Gartenbesitzer, Firmen oder Kommunen, ja, die ganze Gesellschaft ist gefragt, sich für einen nachhaltigen Artenschutz einzusetzen“, fordert der 44-jährige Hager ein generelles Umdenken, und zwar möglichst schnell. Nicht ohne Grund ist Thorsten de Buhr aktiv beim Norder Aktionsbündnis „Volksbegehren Artenschutz“. „Die Situation ist wirklich dramatisch“, weist er unter anderem auf eine Langzeitstudie des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) hin, wonach die Zahl landlebender Insekten zurückgeht. Sie sank demnach im Schnitt um 0,92 Prozent pro Jahr, was einem Rückgang von 24 Prozent über 30 Jahre entspreche. „Der Rückgang der Insekten findet sehr leise statt. Wir bemerken es nur über einen längeren Zeitraum oder wenn wir genau hinschauen.“
Im Norder Imkerverein sind derzeit 56 Imkerinnen und Imker aktiv. Hinzu kommen elf Fördermitglieder. Nachwuchssorgen hat der Verein nach de Buhrs Worten keine – im Gegenteil. Die in Kooperation mit dem Imkerverein Brookmerland an der KVHS Norden angebotenen Neuimker-Kurse sind gut belegt und konnten – nach der Corona-Pause – vor Kurzem wieder aufgenommen werden. Auch konnten sich die Mitglieder jüngst wieder zu einer Versammlung im Haus der Vereine in Norden zum Erfahrungsaustausch treffen. Anlaufen soll auch wieder die Kooperation mit der Grundschule Hage. Erfahrene Imker und Imkerinnen zeigen den Pennälern bei dem Projekt auf, wie der Honig nach vielen Stationen am Ende auf den Frühstückstisch gelangt.
Wegen der Pandemie musste in diesem Jahr das Sommerfest zum 100-jährigen Bestehen des Vereins ausfallen. „Wenn es möglich ist, holen wir das im nächsten Jahr nach und feiern unser 101-jähriges Bestehen“, verspricht de Buhr. /RF