Wie kommt eigentlich der leckere Honig ins Glas?

Bürgermeisterkandidat informiert sich bei Hager Imkerinnen und Imkern – Vereinsvorsitzender fordert mehr Nachhaltigkeit

„Wir brauchen weniger Kiesgärten, dafür mehr artgerechtes Grün innerhalb und außerhalb der Ortschaften.“ Imkervereinsvorsitzender Thorsten de Buhr (i.) erläutert Axel Hedemann die Grundzüge der Imkerei.

Norden/Hage –  Honig schmeckt lecker und ist gesund. Und am besten schmeckt er von einem Imker oder einer Imkerin aus der näheren Umgebung. Aber wie genau kommt der Honig ins Glas, das jeden Morgen bei Axel Hedemann in Hage auf dem Frühstückstisch steht? Die Antwort darauf gab es am Freitag beim Vorsitzenden des Imkervereins Norden, Thorsten de Buhr, bei dem sich Hedemann, der sich am 12. September für das Amt des Bürgermeisters der Samtgemeinde Hage bewirbt, kurzerhand eingeladen hatte. Dem 54-jährigen Hager ging es bei dem Treffen nicht nur um die Honigproduktion. Vielmehr stand auch das Thema Umwelt- und Naturschutz ganz oben auf seiner Agenda. Für Hedemann das Zukunftsthema überhaupt. Warum gerade die Imker? Sie haben in seinen Augen besonders sensible Fühler, wenn’s um die Umwelt geht und merken sehr früh an ihren Bienen, wenn irgend etwas mit der Natur nicht stimmt.

Und das ist aus Sicht von Vereinschef Thorsten de Buhr so einiges. Er blickt mit seinen Imkerkollegen und -kolleginnen durchaus mit Sorge auf den Zustand der Lebensräume von Biene und Co. „Wir als Imker bekommen ja umgehend Rückmeldung, wenn das Gleichgewicht aus den Fugen gerät“, wies de Buhr am Freitag auch gegenüber Hedemann auf den immensen Rückgang der Bienenvölker weltweit hin. „Heute zählen wir in Deutschland etwa 800 000 Völker, vor 100 Jahren waren es 2,6 Millionen“, führt de Buhr unter anderem die Strukturveränderung in der Landwirtschaft als einen Grund für die besorgniserregende Entwicklung auf. So liegt nach seinen Angaben die Honigausbeute in der Region bei etwa 19 Kilogramm pro Volk und Jahr. In Süddeutschland mit einer teilweisen kleinteiligeren Landwirtschaft seien es dagegen 30 Kilogramm. „Bei uns gibt es für die Bienen größtenteils nur den Raps als Hauptnahrungsquelle“, warnte de Buhr vor einer weiteren Verknappung des Angebotes. In Ostfriesland sei das Trachtangebot (Futterangebot; die Red.) über den Raps hinaus sehr gering. Und wenn dann das Wetter nicht mitspielt, geht die Ernte komplett in den Keller. „Derzeit kommen einige Faktoren zusammen, sodass die Frühtracht komplett abgeschrieben werden kann. Derzeit macht es wirklich keine Freude“, zieht der Imkerchef, der auch Vorsitzender des Imker-Kreisverbandes Norden ist, ein erstes Fazit der Saison. 

Wir können das einfach nicht
mehr so laufen lassen,
sondern wir müssen alle mehr
für die Arten- und Blühvielfalt tun

Thorsten de Buhr
Vereinsvorsitzender

Unabhängig davon muss in den Augen von de Buhr mehr getan werden, um das voranschreitende Artensterben aufzuhalten. „Die Lage ist wirklich dramatisch, beurteilt auch das Imkerehepaar Erika und Siebo Büscher aus Hage die Lage negativ. „Draußen sieht man viel Monokultur. Da haben Löwenzahn oder die Kornblume wenig Chancen, sich großflächig auszubreiten“, berichten die beiden von einer extrem rückläufigen Entwicklung bei der Honigernte. Demnach lag die Ausbeute 2018 bei 180 Kilogramm Honig. In diesem Jahr – und bei vier Völkern mehr – seien es lediglich 38 Kilogramm. „Der Aufwand lohnt sich kaum noch“, machen sich die Büschers zunehmend Sorgen, ob sie ihr Hobby in den kommenden Jahren überhaupt fortführen können. „Wir können das einfach nicht mehr so laufen lassen, sondern wir müssen alle mehr für die Arten- und Blühvielfalt tun“, warnen die beiden Hager eindringlich davor, dass das Wissen über die Zusammenhänge in der Natur bei vielen Menschen kaum noch vorhanden sei. Nicht ohne Grund haben Siebo und Erika Büscher gemeinsam mit anderen Imkerkollegen Schulen und Kindertagesstätten besucht, um den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in die Imkerei zu geben. „Vor Corona hatten wir bis zu 60 Kurse im Jahr“, sollen die Veranstaltungen so schnell wie möglich wieder angeboten werden.

Nicht nur im Außenbereich wird das Nahrungsangebot für die Bienen knapper. Mit Sorge beobachtet Vereinsvorsitzender de Buhr die Entwicklung in den Orten selbst. „Wir müssen mehr Augenmerk auf die Gärten legen“, appellierte de Buhr nicht nur an den anwesenden Bürgermeisterkandidaten Hedemann, sondern auch an die übrigen zwei Bewerber Erwin Sell und Sven Behrens, sich im Fall eines Wahlerfolgs für mehr Grün und somit mehr Artenvielfalt in den Kommunen einzusetzen. In diesem Zusammenhang bezeichnete de Buhr den Erhalt oder die Neuschaffung von „Grünen Inseln“ in den Ortschaften als ein hervorragendes Instrument, das Mikroklima innerhalb der Orte zu verbessern und gleichzeitig die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Er bot Rat und Verwaltung die Unterstützung des Imkersvereins bei umweltrelevanten Themen an. „Die Gärten müssen zu einem riesigen Insektenhotel werden“, ergänzte Imker Siebo Büscher. 

Durch die Imkerei ändert
sich die Sicht auf die Natur.
Man merkt, was Kiesbeete anrichten

Axel Klar
Imker

„Die Gemeinde muss natürlich mit einem guten Beispiel vorangehen“, lobte de Buhr beispielhaft die Gestaltung der Kreisel in der Samtgemeinde Hage. Dagegen kritisierte er den Kita-Neubau „Hager Filappers“ in der Bahnhofstraße. „Für die Natur ist dort wenig übrig geblieben. Das ist aus Sicht der Umwelt eine glatte Fehlplanung “,erinnerte er an die ehemals artenreiche Grünfläche. Natürlich müsse eine Kommune die gesetzlichen Vorgaben bei der Kinderbetreuung einhalten, aber die Kinder sollten schließlich auch in der Kindertagesstätte mit der Natur in Berührung kommen. Imker Siebo Büscher lenkte den Blick auf das in seinen Augen zu intensive Ausmähen der Grabenböschungen an Nebenstraßen und nannte den Meint-Ehlen-Weg als Beispiel. Zudem würden Schlegelmäher eingesetzt, die die Saat der Pflanzen zerstören würden, empfahl Büscher den Einsatz eines Balkenmähers. Auch der Landkreis sorge, fügte Vorsitzender de Buhr an, mit neuen Maschinen dafür, dass die Pflanzen bis zu den Wurzeln abgemäht werden würden. „Das ist Frevel“, so de Buhr. Die Kommunen, egal ob Gemeinde, Samtgemeinde oder Landkreis, müssen in Sachen Umwelt Vorbild sein. Da kann es nicht immer nur um Effizienz gehen“, sagte de Buhr.

Der Hager Imker Axel Klar appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, auf Kiesbeete zu verzichten. „Durch die Imkerei ändert sich die Sicht auf die Natur. Man merkt, was Kiesbeete anrichten“, wünscht sich Klar ein mehr an Engagement, diese für die Natur so schädliche Art der Gartengestaltung zu minimieren. „Wir müssen hier einfach mehr Aufklärungsarbeit leisten.“ 

Erwischt! Abertausende Bienen und nur eine Königin. Und genau die konnte Imkervereinschef Thorsten de Buhr dem staunenden Axel Hedemann präsentieren (Fotos: Richard Fransen).

Bürgermeisterkandidat Axel Hedemann zog nach dem rund dreistündigen Gespräch im Garten von Thorsten de Buhr ein positives Fazit. „Es war richtig und wichtig, das Gespräch mit den Imkerinnen und Imkern zu suchen“, zeigte er sich über die Komplexität des Themas Imkerei erstaunt. Hedemann, der als Kämmerer und Leiter des Fachdienstes Finanzen und Bauen bei der Samtgemeinde Hage tätig ist, wies darauf hin, dass Politik und Verwaltung in der Samtgemeinde und den Mitgliedsgemeinden in der Vergangenheit bereits Weichen für mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit gestellt hätten. Er nannte als Beispiel die aufgrund der hohen Zuzugszahlen notwendigen Planungen für einen weiteren Kindergarten, bei dem es deutlich mehr Grün im Außenbereich geben soll. Auch dürfen in bestimmten Straßen in Hage die Grundstücke nicht mehr komplett bebaut werden. Weitere Beispiele seien der Bürgerbus oder der Beitritt zur Biosphärenregion Niedersächsisches Wattenmeer. 

„Es passiert ja schon viel, aber vielen geht es zu langsam oder nicht weit genug“, merkte Hedemann an, dass auch bei ihm in den letzten Jahren ein Umdenken in Sachen Nachhaltigkeit stattgefunden habe. Im Falle einer Wahl werde ich all diese Themen gemeinsam mit Politik und Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern forcieren. „Wir müssen möglichst viele Menschen beim Umwelt- und Artenschutz mitnehmen“, weiß natürlich auch Hedemann, dass nicht alles möglich ist was wünschenswert wäre. /RF