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Die Evolution der Biene
Bienen waren einmal Wüstenwespen.
Die Bienen, heute eine der bestorganisierten und erfolgreichsten aller Insektengruppen, haben vor knapp 150 Millionen Jahren bescheiden angefangen. Sie stammen wahrscheinlich von urtümlichen, einsam in kargen Trockengebieten heimischen Wespen ab, meinen Forscher um Christophe Praz von der Cornell University in Ithaca. Den Aufstieg der Immen leitete dann vor allem eine Innovation ein – die Fähigkeit, den heranwachsenden Nachwuchs auch in widrigem Klima durch Hüllen aus keimtötendem Material zu schützen.
Praz und seine Kollegen schließen das nach genetischen Stammbaumanalysen, bei der sie 98 Spezies der Bienenfamilie Megachilidae mit anderen Bienen und nahen Verwandten verglichen haben. Die Megachilidae waren schon zuvor als recht einheitliche und urtümliche Bienenvariante bekannt. Praz Team zeigt jetzt, dass die Familie bereits vor 126 Millionen Jahren erstmals auftrat. Tatsächlich sind nur zwei Linien der Bienengruppe noch älter, wie die Daten belegen: die südamerikanischen Neofilidae und die südafrikanischen Fidelia-Arten, die wohl schon existierten, als der große Südkontinent Gondwana noch nicht zerfallen war. Auffallend sei, dass die Spezies dieser beiden sehr ursprünglichen Gruppen ein für alle anderen, fortschrittlichere Bienen untypisches Leben führen, schreiben die Autoren: Zum einen leben sie nur in trockenen Gegenden und besuchen dort wenige, auffällig große und kreisrunde Blüten, zum anderen verzichten sie völlig darauf, ihre Nester mit Vegetationsresten, Harzen oder bestimmten Ölen auszukleiden. Dieses bei anderen Bienen, nicht aber Wespen in verschiedener Form verbreitete Verhalten dient vor allem der Keimabwehr: antimikrobielle Abwehrstoffe schützen die Brut und die gesammelten Nahrungsvorräte gerade in kälteren, feuchteren Regionen vor Pilzen und Bakterieninfektionen. Praz und seine Kollegen glauben nun, dass die Erfindung des Keimschutzes durch Fremdmaterial der Evolution der modernen Bienen einen entscheidenden Schub gab: Die Bienen lernten nicht nur, die in der Kreidezeit immer vielfältiger werdenden Blütenpflanzen effektiver abzuernten, sondern vor allem auch, die Pollen geschützt zu bevorraten. Diesen Schritt in die Bienenmoderne hätten die Vorfahren der ursprünglichen Fidelia- und Neofilidaespezies nicht mitgemacht – sie ähneln demnach noch heute dem Typus der wespenähnlichen Frühbienen.
Biologie der Biene
Nach der naturwissenschaftlichen Einteilung der Insekten, zu denen ja auch die Einzelglieder des Bien gehören, zählt der Bien bzw. die Bienen zu den Hautflüglern (Hymenopteren). Bei dieser Auffassung ist ein eigentlich sehr untergeordnetes Organ die Flügel, zum Unter- und Artmerkmal ausgewählt worde, während die sehr wichtige biologische und physiologische Merkmale, welche das Bienenvolk und auch die Einzelbiene von andern ähnlichen Lebewesen ganz bestimmt unterscheiden, völlig unbeachtet geblieben sind. Das auffälligste Merkmal dieser Tierart ist doch seine siozalstaatliche Organisation der beteiligten Glieder dieses Verbundes. Am nächsten stehen sie in dieser Hinsicht den Ameisen und Termiten, abgesehen von den nahen verwandten Wespen, Hummeln und Hornissen, die jedoch nicht Staaten bildend sind.
Ferdinand Gerstung hat daher bereits Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich gemacht, dass wir das Bienenvolk weniger als den Zusamenschluss von Einzel-Lebewesen, sondern als ein homognes Ganzes – nämlich als Bien betrachten müssen. Er schreibt in seinem Buch „Der Bien und seine Zucht“ (1905):
„Der Bien lässt sich, um sein charakteristisches Wesen begreiflich zu machen, eher mit einer Pflanze, als mit Tieren höherer Organisation vergleichen. Wie bei einer Pflanze sich aus einem Keime die verschiedenartigen Zellgruppen Wurzel, Stängel oder Stamm, Blätter, Knospen, Blüte, Frucht entwickeln und jede besondere Zellgruppe für die Erhaltung des ganzen Organismus ihr bestimmtes Teil beitragen muss, aber auch vom ganzen Organismus ihre Existenzmöglichkeit darerhält, so entstehen auch aus an und für sich gleichartigen Eiern im Bien verschiedene Glieder- oder Zellgruppen sogenannte Arbeiterinnen (Ammen-, Brut-, Bau-, Wehr- und Trachtbienen) Drohnen und Königinnen, von denen jedes sein gerade ihm zukommendes Teil zur Erhaltung und Fortpflanzung des ganzen Biens beitragen muss, welche aber auch alle erst von dem ganzen Bien ihre Existenzmöglichkeit dargeboten erhalten. Deshalb bestimmen wir das Wesen des Biens also:
Der Bien ist ein Organismus, welcher besteht durch das harmonisch- zweckmäßige Zusammenwirken aller seiner Teile oder Glieder und bei welchem jeder Teil das Ganze als Ursprung und Träger einer Existenz voraussetzt.
Von einem pflanzlichen oder einem tierischen Organismus höherer Art unterscheidet sich der Bien wesentlich dadurch, dass bei ihm die einzelnen Zellgruppen oder Organe nicht miteinander fest verwachsen sind, sondern dass wenigstens die entwickelten Organe· frei beweglich sind. Das darf uns aber nicht hindern, den Bien als einheitlichen Organismus aufzufassen und die Einzelbienen nur als seine für sich organisierten Glieder oder Organe zu betrachten, da ja die Beziehungen des Ganzen zu den Gliedern und der Glieder zum Ganzen genau dieselben sind, wie die Beziehungen der Einzelorgane zum Organismus und umgekehrt bei einer Pflanze oder einem höher organisierten Tiere oder auch bei unserm menschlichen Körper.“
Leider hat sich diese Defintion in nur sehr wenigen Lehrbüchern der Imkerei seinen Niederschlag gefunden. Der Begriff „Bien“ wird zwar oftmals zitiert, die Umsetzung in die praktische Arbeit mit den Bienen ist jedoch in Vergessenheit geraten. Daher möchte ich diesen Aspekt wieder aufgreifen und auf den folgenden Seiten beleuchten.
Den Bien mit all seinen Gliedern als Organismus zu betrachten ist die Grundlage der artgemäßen Bienenhaltung in der Hochwaben-Magazinbeute und meiner Betriebsweise, bei der sich die Belange der Biene und des Imkers am besten vereinigen lassen.
Der Bien
Der Organismus des Biens besteht aus der weiblichen „Königin„, welche die Trägerin des Eierstockes ist, einer Vielzahl von “ Arbeitsbienen“ (mind. 200 bis ca. 80.000), welche gleichfalls weiblich Geschlechts, jedoch Trägerinnen der Wachs- und Nährdrüsen sind (speziell des Chylusmagens) und den “ Drohnen“, welche in wechselnder Anzahl vor dem Höhepunkt der Entwicklung des Biens im Frühjahr im Bien erscheinen, männlichen Geschlechts und Träger des Sperma sind. Zu diesen entwickelten Gliedern des Biens kommen noch die noch nicht vollständig entwickelten Glieder hinzu: die Eier, Maden, die gedeckelte Brut, welche zu ihrer Entwicklung das Wabenwerk oder Wachsgebäude benötigen, der Pollen und der Nektar als Nährstoffe, ohne die der Bien nicht überleben könnte. Martin Lindauer, Thomas Seeley, Jürgen Tautz u. a. sprechem daher von dem Superorganismus Bienenstaat.
Der Begriff Organismus beinhaltet, dass dessen Glieder alle einen gemeinsamen Ursprung haben und sich nur durch ihre besondere Funktion unterscheiden. Genau so ist es auch beim Bien. Seine Glieder haben alle ihren anatomischen Ursprung im Ei, aus welchem sich dann die charakteristischen Organe (Königin, Arbeiterin, Drohn) entstehen. Bei all diesen drei Bienenwesen sind die allgemein zum Leben notwendigen Organe gleich ausgebildet (Bewegungs-, Verdauungs-, Atmungs-, Sinnesorgane), auch das Nervensystem und die Blutgefäße. Nur die Geschlechtsorgane kommen auf Kosten der übrigen Organe bei jedem spezifischen Glied des Biens zur vollen Entwicklung:
- Bei der Königin ist es der Eierstock, der zu Gunsten der Nährdrüsen und des Verdauungsapparates zur vollen Entfaltung kommt. Sie kann weder Rohstoffe sammeln, noch aufnehmen und verdauen. Jungbienen füttern zeitlebens die Königin mit Gelee Royale und umgeben sie als Hofstaat um sie zu pflegen und Kontakt zu halten. Kann sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen, wird sie vom Bien abgestoßen und ausgetauscht (stille Umweiselung). Für ihre Tätigkeit sind jedoch Voraussetzung, dass der Wabenbau, die Arbeitsbienen und die Drohnen zur Verfügung stehen.
- Bei der Arbeiterin ist es gerade umgekehrt. Hier treten zu Gunsten der Drüsen (Futtersaft- u. Giftdrüse = Geschlechtsdrüsen) sowie der Sammel- und Verdauungsorgane die Eierstöcke völlig in den Hintergrund. Sie sind zwar noch vorhanden und können in besonderen Situationen wieder aktiviert werden (Drohnenmütterchen). Für ihre Existenz und Tätigkeit sind die Königin, der Wabenbau, die Gesellschaft mit den anderen Arbeiterinnen und die Drohnen notwendig.
- Beim Drohn sind die charakteristischen männlichen Geschlechtsorgane vollkommen ausgebildet und dies auf Kosten der Sammel- und Verdauungsorgane. Er ist ja ganz und gar auf die Ernährung von Seiten der Arbeiterinnen angewiesen und sobald das Organ „Drohn“ für die Lebenserhaltung des Bien nicht mehr wichtig ist, wird es abgestoßen (Drohnenschlacht). Voraussetzung für ihre Existenz sind die Königin, die Arbeiterinnen und der Wabenbau.
Damit wird wieder deutlich wie doch jedes Glied des Organismus Bien stets auf alle anderen angewiesen ist und dass das Ganze jedes einzelne voraussetzt. Für sich ist zwar jedes selbst organisiert, kann aber ohne die anderen nicht existieren und nur durch das harmonische und zweckmäßige Zusammenwirken ist das Ganze lebensfähig.
Die Grundform seiner Anordnung aller Glieder des Bien können wir am besten während der Winterruhe erkennen: Wann und wo immer es möglich ist, bildet der Bien eine Kugel.
Die Königin
Wie bereits beschrieben ist bei der Königin der Eierstock auf Kosten der andern weiblichen Geschlechtsorgane voll entwickelt, während die Sammelorgane und die Nährdrüsen zurückgebildet sind, sodass sie weder die Rohstoffe sammeln noch verarbeiten, also sich selbst überhaupt nicht ernähren kann. Die Bienenkönigin besitzt zwar in unentwickelter Form auch den Verdauungsapparat, aber dieser dient bei ihr nicht der Verdauung, sondern zur Aufnahme und Speicherung für den völlig vorverdauten Futtersaft. Dieser wird ihr von den jungen Brutbienen laufend verabreicht und beinhaltet bereits fertige Baugruppen für das Ei. Dies erlaubt ihr während der Hochsaison an Gesamtmasse so viele Eier täglich zu legen, sodass diese ihr eigenes Körpergewicht um ein mehrfaches übersteigt.
Hierzu ein paar Zahlen, die jeder Imker selbst überprüfen kann:
Gewicht des Eies (lt. Forschung): rund 0,22 mg
Gewicht einer legenden Königin: rund 240 mg
Gewicht einer Schwarmkönigin: rund 160 mg
Brutumfang im Juni:
- bei 12.800 qcm ( 8 Zanderwaben*) =50.000 – 8% Leerzellen = rd. 46.000 Zellen => 2.200 Eier / Tag
- bei 18.000 qcm (11 Zanderwaben**) = 72.000 – 8% Leerzellen = rd. 66.000 Zellen => 3.100 Eier / Tag
- tägliche Legeleistung bei 2.100 Eier = 480 mg – demnach das doppelte des eigenen Körpergewichts !
- tägliche Legeleistung bei 3.100 Eier = 680 mg – demnach das 3-fache des eigenen Körpergewichts !!
* durchschnittliches Volk
** starkes Volk
Die Arbeiterinnen
Sie haben im Gegensatz zur Königin nur eine wesentlich kürzere Lebenserwartung.
Man unterscheidet hierin jedoch zwischen Sommer- und Winterbienen. Während die Arbeiterinnen im Sommer bereits nach 4 – 6 Wochen eingehen, werden die Winterbienen mehrere Monate alt.
Dieser Unterschied liegt vor allem daran, dass die Winterbienen keine Nachkommen zu pflegen haben. Die Sommerbiene arbeitet sich dagegen regelrecht zu Tode.
Im Hochsommer zählt ein Bienenvolk bis zu 45.000 Bienen. Im Winter dagegen sind es nur 10 bis 15 Tausend.
Die Arbeiterinnen sind auch weiblicher Natur, doch sind ihre Geschlechtsorgane (Eierstöcke) verkümmert. In anderen Merkmalen sind sie jedoch weit besser ausgestattet als die Königin. Das hängt zusammen mit der Vielzahl von Aufgaben, die sie im Laufe ihres Lebens zu erledigen haben, denn sie sorgen für alles. Dabei teilen sie sich die Arbeit.
Die Arbeiterinnen erledigen im Laufe ihres Lebens, bei ungestörtem Lebenslauf in den Monaten Mai bis Juli eine Vielzahl von unterschiedlichen Arbeiten. Diese Beschäftigungen wechseln mit dem Lebensalter und gehen einher mit der Entwicklung der verschiedenen Drüsen.
Dabei folgen sie aber keinem starren Schema, sondern die Tätigkeiten können je nach den Bedürfnissen im Bienenvolk zeitlich stark abweichen. So können die sehr alten Winterbienen im zeitigen Frühjahr wieder Ammen- und Baudienste ausüben.
Alter | Lebensphase | Tätigkeit |
---|---|---|
1-2 Tage | Junbiene | Zellen putzen |
3-4 Tage | junge Ammenbiene | Füttern der älteren Larven |
5-8 Tage | ältere Ammenbiene | Füttern der jungen Larven |
9-12 Tage | erste Orientierungsflüge vor dem Flugloch | |
13-18 Tage | Baubiene | „Ausschwitzen“ der Wachsplättchen, Wabenbau |
15-18 Tage | Übernahme des Nektars, Verarbeitung zu Honig, Einlagerung, Pollen einstampfen | |
19-21 Tage | Wächterbiene | Fluglochwache, Abwehr von Wespen, räubernden Bienen, Menschen und sonstigen Eindringlingen, Sterzeln |
ab 22 Tagen | Flugbiene | Sammelflüge, (Nektar, Pollen, Kittharz, Wasser) Gelegenheitsarbeiten: Bauen, Wärmezittern Kühle fächeln |
Die Drohnen
Sie sind die Männer im Bienenvolk.Ihre einzige Aufgabe von Natur aus ist die Paarung mit einer Jungkönigin.
Da die Paarungszeit in die Sommermonate fällt, findet man Drohnen auch nur von etwa April bis August in den Völkern.
Drohnen fallen sofort an ihrer plumpen Gestalt und an den übergroßen Augen auf. Da sie selbst keine Arbeit verrichten, benötigen sie weder Wachs- noch Futtersaftdrüsen. Auch fehlen ihnen die Sammelbeine.
Sympathisch sind die Drohnen, weil sie keinen Stachel besitzen.
Drohnen entstehen auf eine ganz besondere Weise, denn sie entwickeln sich aus unbefruchteten Eiern (Parthenogenese). Es müssen sich also keine Samenfäden mit dem Ei verschmelzen, um dessen Entwicklung in Gang zu setzen. Das bedeutet, dass die Drohnen im Gegensatz zur Mehrzahl aller Lebewesen keinen Vater haben, sie also dasselbe Erbgut besitzen, wie die Königin. Dieser Umstand muss bei der Zucht und Paarung von Königinnen berücksichtigt werden.